Neulich wurde ich gefragt, warum ich ausgerechnet den Begriff „Kloster auf Zeit“ für meine spirituellen Angebote gewählt habe. Der Gutshof ist doch gar kein richtiges Kloster und außerdem werden Erinnerungen aus der Kindheit wach, die eher skeptisch stimmen.

Starke Sehnsucht nach Einkehr und Rückbindung

Sofort kam mir der Film „Im Namen der Rose“ nach dem Buch von Umberto Eco in den Sinn. Mönche, die nicht lachen dürfen, unnatürliche Askese und kalte Steingebäude wirken nicht gerade einladend. Da kommen schon komische Gefühle auf. Ich selbst hatte bis vor ein paar Jahren keine Beziehung zu Klöstern. Dieser Lebensstil war für mich ganz weit weg und weltfremd. Das änderte sich mit der Entdeckung der irischen Mönche. Unsere Reise durch Irland, Schottland und Nordengland löste eine starke Sehnsucht nach Einkehr und Rückbindung an das Ursprüngliche aus.

Was bedeutet eigentlich der Begriff Kloster?

Die Benennung Kloster stammt vom lat. claustrum und bedeutet ein verschlossener Ort. Vor vielen Jahrhunderten suchten Menschen in der Wüste die Einsamkeit. Sie gingen an abgelegene Orte, um von dem zerstreuenden Lebensstil der damaligen Metropolen zu fliehen. Sie wollten alle Ablenkungen und den Aktivismus hinter sich lassen und einfach da sein und herausfinden was wesentlich ist. Auch in Irland entstanden Klöster.

Meine Berührung mit dem Klösterlichen

Während einer Reise auf den Spuren der irischen Mönche lernten wir in Nordengland die Northumbria Community kennen, die die Schätze dieser Spiritualität wiederentdeckten. Sie stellen ähnliche Fragen, die mich schon sehr lange beschäftigten. Was suche ich in meinem Christsein, welcher zukunftsfähige Lebensstil folgt daraus, und wie kann ich ein hoffnungsvolles Lied in dieser Welt singen? Zurück in Deutschland entdeckte ich eine evangelische Bruderschaft im Kloster Triefenstein. Dort verbrachte ich dann immer wieder „stille Tage“.  Im Kloster Marienstatt im Westerwald startete ich die geistliche Jahresreise.

Sieben Elemente, die ich in meinen Lebensstil integriert habe.

1. Der abgeschiedene Ort

Wesentlich sind für mich Zeiten in der Abgeschiedenheit. Das muss nicht immer im Kloster sein. Vielleicht gibt es einen kleinen Raum im Haus, oder eine Ecke in einem Zimmer oder tatsächlich eine kleine Hütte im Garten, die einfach den Rückzug und das alleine sein ermöglichen. Früher ging ich manchmal auf die Toilette, nur um für ein paar Minuten abgeschieden zu sein.

2. Die Solo Zeit

In kürzeren oder längeren Zeiten alleine, ohne Verpflichtungen und Gespräche, trete ich die Reise nach innen an. Mein innerer Mensch kommt zu Wort. Mal ganz bewusst dem Druck in mir zuzuhören, den Zwickmühlen verschiedener Erwartungen und Bedürfnisse, um wieder ganz bei mir Selbst anzukommen. Mich auf Gott ausrichten, seinen Worten zuhören, ins Gespräch kommen und wieder neu mit dem Wesentlichen verbunden werden.

3. Die Askese und das Fokussieren

Weniger ist mehr. Dieser Satz fordert mich heraus. Mich interessiert so viel und wie schnell ist wieder eine Woche rum, in der ich nur die Hälfte dessen geschafft habe, was ich mir vorgenommen habe. Von Zeit zu Zeit prüfe ich was getrost wegbleiben kann. Beim Essen, den Medien, der Kleidung, den Gegenständen in der Wohnung, aber auch Aktivitäten und Verpflichtungen. Mir helfen regelmäßige Fernsehfreie Zeiten. Ein- bis zweimal jährlich verzichte ich eine Zeit lang auf manche Kohlenhydrate. Gleichzeitig konzentriere ich mich ganz bewusst auf Kontaktpflege mit Freunden und z.B. Vorhaben, die Rainer und ich uns vorgenommen hatten, aber doch wieder verschoben haben.

4. Die Regel und der Rhythmus

Jährlich regeln Rainer und ich unser Miteinander und unsere Arbeit mit einigen Eckpunkten.  Zum Beispiel reservieren wir einen Abend in der Woche, in dem wir uns nur als Ehepartner begegnen und wenn nötig „heiße Eisen“ anpacken. Auch mit den Mitarbeitern erarbeiten wir solche Eckpunkte. In regelmäßigen Abständen, z. B. alle drei Monate kann nachgebessert werden. Die Tageszeitgebete helfen den Tag zu strukturieren. Auszeiten, Urlaub, Feiertage, Jubiläen und natürlich der freie Tag in der Woche geben dem Jahr einen zeitlichen Rhythmus von Ruhe und Arbeit.

5. Das Studium,  die Natur und die Kunst

Die Mönche studierten viele Stunden die Bibel und Klassiker der damaligen Literatur und gewannen Erkenntnisse für das gute Leben. Alle Lebensbereiche waren eingeschlossen. Naturliebe und Kunst, z.B. die Illustrationen in dem Book of Kells motivierten mich bei der Inneneinrichtung des Gutshofes. Im normalen Berufsalltag bleibt wenig Zeit für solche „nutzlosen“ Dinge. Ein oder zweimal die Woche einen Spaziergang im Grünen, regelmäßige Auszeiten für Spiritualität und Weiterbildung, kurze Textbetrachtung am Morgen eine Grünpflanze im Büro, inspirierende Musik im Auto u.v.m. bringen den Geist in Schwung.

6. Die Gemeinschaft

Begegnungen von Herz zu Herz sind kostbar und nicht immer selbstverständlich. Ehrlich Freud und Leid teilen und in den Herausforderungen des Alltags Schwäche zeigen machen mich verletzlich. Gleichzeitig erlebe ich in unserer Rivendell-Gemeinschaft, wie sehr es mich aufbaut und neu ausrichtet diese Form der Gemeinschaft zu pflegen. Regelmäßig hören wir füreinander hin und segnen einander. Gleichzeitig versuche ich jeden Tag meinen Blick für gemeinschaftliche Begegnung zu öffnen.

7. Die Sendung

Mich fasziniert die positive Wirkung der Irischen Mönche auf das gesellschaftliche Leben im 6. und 7. Jahrhundert. Ihr Lebensstil stärkte ein Sendungsbewusstsein. Sie engagierten sich kraftvoll in den Brennpunkten der Gesellschaft, verbesserten die Lebensqualität in Britannien und beeinflussten nachhaltig die Europäische Kultur. „Klösterliche Zeiten“ helfen mir seit vielen Jahren meine Beziehungen und eine Arbeit hoffnungsvoll und zielgerichtet zu gestalten.

Vielleicht finden auch Sie einige hilfreiche Anregung für Ihren Lebensstil. Ich würde mich freuen, wenn wir uns gemeinsam auf den Weg machen, um in den Veränderungen unserer Zeit, authentisch, gesund und wirkungsvoll zu leben.


Ilona Dörr-Wälde