Es begeistert mich
Menschen zu entwickeln

Ilona Dörr-Wälde

Ilona Dörr-Wälde begleitet seit vielen Jahren Menschen auf Ihrer persönlichen Lebensreise. Als Authentic Coach unterstützt sie Frauen und Männer ihren eigenen Lebensthemen auf die Spur zu kommen und neue Perspektiven zu gewinnen. Diese Auszeiten und Ruheinseln – das „Kloster auf Zeit“ – sind elementar wichtig, um die eigenen Identität zu schützen und langfristig gesund zu bleiben.

Vom Freigeist mit Tiefgang zur Macherin mit Feinschliff

EIN STÜCK HEILE WELT

Massenbach bei Heilbronn. Dieses kleine 1000-Seelen-Dorf, in dem Ilona Dörr-Wälde aufwachsen durfte, bedeutet für sie im Rückblick ein Stück heile Welt. „Unser Leben war von der Agrarkultur geprägt“, sagt sie. „Mein Onkel war Landwirt, mein Vater hatte eine Dorfschmiede. Die Menschen gingen bei uns immer ein und aus.“ Als kleines Mädchen bewegt sie sich frei im Dorf, streift von Nachbar zu Nachbar und findet immer offene Türen vor.

BROTLOSE KUNST

Gern wäre Ilona Innenarchitektin, Dekorateurin oder Erzieherin gewonnen. Doch während der Ölkrise herrscht Lehrstellenmangel und praktische Berufe stehen hoch im Kurs. „Die Frau beim Arbeitsamt hat mich ausgelacht, als ich sie fragte, wie man Innenarchitektin wird. Das sei brotlose Kunst.“ Ilonas Bezugspersonen teilen die Meinung, dass das Mädchen etwas Handfestes erlernen und Industriekauffrau werden solle. Mangels Alternativen und aufgrund der schlechten Arbeitsmarktsituation willigt Ilona in ihr Schicksal ein.

Im Käfig der Konventionen

Jetzt ist Ilona im Käfig der Konventionen gefangen. „Acht Stunden am Tag fühlte ich mich eingesperrt. Ich arbeitete in einem engen Büro mit Neonlicht ohne Fenster“, erinnert sie sich. So eng wie der Büroraum, so eng sind auch die Strukturen und der Zeitplan, in den Ilona eingebunden ist. Sie fragt sich: „Was machen wir hier eigentlich? Ist es der Lebenssinn, uns vom hart ersparten Geld zwei Wochen Urlaub zu leisten, um das Leben ein kleines bisschen zu genießen?“.

DER TOD, DER NACHBAR UND GOTT

„Mein Lieblingsonkel ist sehr früh gestorben“, erzählt sie. Sie fragte nach, wo der Onkel sei und sprach mit Freunden und Verwandten. Die Tante und die Oma erzählten der kleinen Ilona von Jesus, doch es ist ein Nachbar, Matthias, der für Ilona zum spirituellen Mentor wird. „Ich war 14 Jahre alt, als wir ins Gespräch kamen. Er sagte, er hätte Jesus kennengelernt.“ Ilona spürt, dass bei ihm etwas anders ist, und besucht Matthias und seine Familie regelmäßig zu Hause. Vor dem Essen wird dort gebetet. Doch dieses Beten ist kein Aufsagen vorgegebener Verse, sondern eine freie Rede mit Gott. So, als ob Gott im Raum wäre.

ORT DER BEGEGNUNG

Ilona hilft Mathias dabei, eine Jugendgruppe zu gründen und nimmt bereits im jungen Alter Führungsaufgaben wahr. Sie organisiert mit Gleichgesinnten einige Zeltlager mit bis zu 60 Jugendlichen und ist mit 21 Jahren verantwortlich für die Teestube, die Platz für 50 Gäste bietet. „Die Teestube war die damalige Alternative zum heutigen Starbucks“, erklärt sie. „Wir haben die Möbel selbst gebaut und den Raum gemeinsam liebevoll gestaltet und eingerichtet. Da waren Teamwork, Elan, Ideen und deren Umsetzung.“
Diese Teestube wird zum Ort der Begegnung. Man trifft sich zum Essen, Musizieren, Singen, Teetrinken, Chillen und Abhängen. Inhaltlich geht es häufig auch um politische Themen, um die Ölkrise, um Projekte aus Afrika, um das Gedankengut Gandhis. An Tee-Abenden werden Experten eingeladen, die zu diversen Themen referieren. Es ist eine intensive Zeit, in der Ilona bis nachts um zwei über Gott und die Welt diskutiert.
Diese Gemeinschaft mit Gleichgesinnten gibt der jungen Frau die Kraft, ihr Doppelleben zu ertragen: Die Zeit von halb acht bis halb fünf opfert Ilona dem beruflich-gesellschaftlichem Pflichtprogramm. Danach erwacht ihr Herz und das wahre Leben beginnt. So geht es Ilona bis zum vierundzwanzigsten Lebensjahr – bis sie sich traut, ihre Käfigtür von innen zu öffnen.

EINKEHR IN DIE KLOSTERMÜHLE

Acht Jahre lang Ilona in der Industrie, bis sie allen Mut zusammen nimmt und den Chef fragt, ob sie ein halbes Jahr unbezahlten Urlaub nehmen darf. Ein Sabbatical? So etwas kannte man nicht, so etwas machte man nicht! Ilona bleibt nichts anderes übrig, als zu kündigen. Die Eltern sind geschockt, doch Ilona ist sich sicher, das Richtige zu tun.
Die junge Frau zieht sich für sechs Monate in die Klostermühle in Obernhof zurück, um dort die Bibelschule zu besuchen. Es folgt ein halbjähriges diakonisches Praktikum in Spanien. Als sie wieder nach Hause kommt, hoffen die Eltern, dass ihr Kind wieder „normal“ wird. Doch Ilona spürt, dass sie nicht in ihr altes Leben zurückkehren kann. Die Familie sitzt am Küchentisch und Ilona berichtet, dass sie ein Vollzeitstudium antreten und die dreijährige Bibelschule absolvieren will. Die Eltern schlucken. Schweigen. Nach einer gefühlten Ewigkeit ergreift der Vater das Wort: „Wenn das Deine Entscheidung ist, dann werden wir Dich finanziell unterstützen.“

KULTURSCHOCK IN HILDESHEIM

Nach dem Studium mit weiteren Praktika in Ostfriesland und in der Schweiz beginnt Ilona in der Evangelisch Freikirchlichen Gemeinde in Hildesheim als Gemeindediakonin. In Hildesheim merkt sie, dass die Menschen eine andere Mentalität haben. Man lacht nicht über ihre Witze, hat einen anderen Dialekt, nutzt eine andere Sprache. Ilona erlebt Verunsicherung. „Das war ein Identitätsthema“, sagt sie. „Wie kann ich meinem Gegenüber gerecht werden und mir selbst treu bleiben?“

Nach und nach findet sie ihren Weg und meistert erfolgreich die Gemeindearbeit, die Stadtarbeit, den Mitarbeiteraufbau und die Organisation der Gruppenfreizeiten. Gleichzeitig kämpft sie gegen Vorurteile und eingefahrene Strukturen. „Haben wir schon probiert, funktioniert bei uns nicht“, bekommt sie oft zu hören.
Nach sieben aufreibenden und gleichzeitig sehr erfüllten Jahren realisiert Ilona, dass ihre Gestaltungsmöglichkeit als Gemeindediakonin begrenzt ist. Sie erkennt an, dass sie keine Gemeindepolitikerin, keine Bürokratin und auch keine Verwalterin ist. Sie wünscht sich die direkte Arbeit mit den Menschen und ist dafür sogar bereit, ihre Sicherheit aufzugeben. Sie ist Mitte dreißig, als sie ihre Selbstständigkeit beschließt und in der Werkstatt für Gemeindeaufbau in Ditzingen freiberuflich im Leitungsteam mitarbeitet. Zu ihren Aufgaben gehören die Mitarbeitertrainings, die Prozessbegleitung sowie die Entwicklung eines Mentoring-Konzeptes, das bis heute noch läuft.

WERTSCHÄTZUNG DURCH WIRKUNG

Kleidung war Ilona nie wichtig. Doch jetzt, da sie selbstständig ist, stellt sie sich besonnen und reflektiert die Frage: „Wie kleide ich mich?“ Dabei geht es Ilona nicht um Oberflächlichkeit, sondern um Stimmigkeit, Glaubwürdigkeit und Wertschätzung.
Getrieben von diesen Gedanken, bucht sie selbst eine Farbberatung und ist begeistert. In der Farb- und Stilberatung erkennt sie das Potential, Menschen Wertschätzung zu geben, sie zu ermutigen, sie zum Strahlen zu bringen und ihnen eine neue Form der Wirksamkeit zu zeigen. Sie beschließt, bei Bettina Wälde eine Ausbildung zur Farb- und Stilberaterin zu machen und sitzt wenige Wochen später als Schülerin in der Ausbildung. Ihre ersten Aufträge akquiriert sie, indem sie Vorträge hält und Flyer verteilt.
Nach der Basis- und Aufbau-Ausbildung folgt ein Anruf von Rainer Wälde. Er fragt: „Könnten Sie sich vorstellen, bei uns als Trainerin für die Ausbildungen einzusteigen?“ Und wie Ilona sich das vorstellen kann! Lernen, lehren, Konzepte entwickeln und Menschen fördern. Genau das ist es, was sie will. Auch finanziell bewegt sie sich endlich im sicheren Fahrwasser.

GOTTVERTRAUEN

Sie resümiert: „Ich weiß nicht genau, wie ich die ersten drei Jahre meiner Selbstständigkeit überstanden habe.“ Die Eltern um Geld zu bitten, ist für Ilona keine Option. „Doch ich hatte Selbstvertrauen und Gottvertrauen. Ich war mir sicher: Wenn du von Gott einen Auftrag bekommst, dann bezahlt er auch.“ Manchmal betet Ilona um das Geld für die nächste Miete. Sie fährt alte Autos und verzichtet auf teure Reisen. Worauf Ilona jedoch niemals verzichtet, sind ihre Tage der Stille. Die sind für sie so wichtig wie die Luft zum Atmen. „Alle meine Ideen sind aus dieser Stille heraus geboren. Mir ist es wichtig, den Lebenszyklus zu leben und bewusste Pausen einzuplanen.“
In der TYP Color Akademie kommt es zu Umbrüchen, als Rainers Frau Bettina Wälde stirbt. Es folgt eine Phase der Trauer, der Fassungslosigkeit und der Orientierungslosigkeit. Ilona übernimmt fachliche Teilaufgaben von Bettina Wälde, ist jedoch überzeugter Single. „Das Thema Beziehung hatte ich abgeschlossen. Nach langer Zeit habe ich mich in meinem Single-Dasein eingefunden. Das Leben war gut zu mir“, sagt sie.

SEELENGEFÄHRTEN

Sie spürt Rainers Interesse, ist jedoch nicht offen für eine Beziehung. Es vergehen Monate, bis Ilona ihr Herz voll und ganz öffnet. 2001 heiraten beide und werden gemeinsam zu einem kreativen, schöpferischen und unschlagbaren Team. Sie gründen die TYP Akademie, bauen sie zum Franchiseunternehmen aus und werden damit Marktführer im deutschsprachigen Raum. Beide sprudeln vor Ideen und schaffen es gemeinsam, Konzepte in die Tat umzusetzen. Ilona konzipiert die zweijährigen Ausbildungen zum Image-Consultant, zum Personal Image Coach (IHK) sowie zum Wohnberater. Der Kreis zum einstigen Berufswunsch schließt sich: Jetzt kommen die Innenarchitekten zu ihr, um sich ausbilden zu lassen.

DIE IRISCHEN CHRISTEN

Trotz des Erfolgs und des Gestaltungsdrangs hält Ilona ihre liebgewonnenen Tage der Stille bei. Besonders berührt sie die Reise nach Irland, wo Rainer und sie heilige Orte bereisen und den Film „Auf den Spuren der irischen Mönche“ drehen. „Die irischen Mönche hätten mich verstanden“ sagt Ilona. „Sie haben ganzheitlich gelebt, statt Beruf, Gemeinschaft, Kultur und Gesellschaft, Alltag und Spiritualität voneinander zu trennen. Sie lebten ein sinnstiftendes Leben, ein Leben in Fülle.“

MEISTERWERK

Die Geschichte von Ilona zeigt, wie wichtig ihr Kraftplätze, Orte der Begegnung, das Erleben von Gemeinschaft und der Austausch mit Gleichgesinnten sind. Sechs Jahre ihres Lebens investiert sie, um einen solchen Kraftplatz als Ort der Begegnung und der Gemeinschaft zu schaffen.

„Das soll mein Meisterwerk sein“, sagt Ilona. „Das Ziel ist ein kleines Zentrum, in dem Arbeiten und Leben nicht künstlich getrennt sind, sondern zusammenrücken. Ein Ort, an dem man ins Gespräch kommt, sich jedoch auch für stille Momente zurückziehen kann. Eine Raststätte zum Auftanken während unserer Lebensreise.“

Nachdem mit dem Gutshof in Großropperhausen 2016 der Kraftplatz gefunden ist, fließen viel Zeit, Energie und Herzblut in die Gestaltung: Raum für ein Miteinander, der den Widerspruch zwischen Leben und Arbeiten aufhebt. Raum für ein Leben in Fülle mit allen Facetten.

Das Erleben dieser Ganzheitlichkeit ermöglicht Ilona derzeit in ihren Pilotprojekten „Kloster auf Zeit“. Hier schafft sie den Rahmen für das heilsame Zusammenspiel von Gebet, Gemeinschaft, Stille und Pilgern im Rhythmus der Natur.

„Das ergänzt seit 2017 unsere Angebote der Gutshof Akademie“, sagt sie. „Um Profil zu zeigen und eine Persönlichkeitsmarke zu sein, ist es wichtig, kraftvoll zu bleiben und sein Herz zu spüren. Das ist die wirkliche, die wahrhaftige Authentizität.“

Das Interview mit Ilona Doerr-Wälde führte Agnes Anna Jarosch (www.agnes-jarosch.de)