Brendan der Reisende

Wind kommt auf, das Segel strafft sich. Endlich. Erleichtert atmen die Männer auf. Schon den zehnten Monat sind sie auf See. Unterwegs in einem Curragh-Boot, hat jeder nur wenige Zentimeter Platz. Es riecht nach nassem Holz und Leder – das Boot haben sie in traditioneller Bauweise ihrer irischen Heimat hergestellt. Die Männer folgen einer Vision, einem göttlichen Auftrag. Sie suchen nach einer Insel, ihrem verheißenen Land. Doch da wo sie jetzt unterwegs sind, gibt es keine Karten mehr. Orientierung gibt ihnen allein ihre Eingebung und ein wenig Seemannsgarn.
„Saint brendan german manuscript“ von Unknown mediaeval scribe. - University of Augsburg, Germany (image). Lizenziert unter Gemeinfrei über Wikimedia Commons - https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Saint_brendan_german_manuscript.jpg#/media/File:Saint_brendan_german_manuscript.jpg

Saint Brendan

Segeln ins Unbekannte
Brendan ist einer dieser Männer. Er wurde 484 im Fenit Tralee im äußersten Südwesten Irlands geboren. Mönch und Priester war er geworden, unterrichtet von großen Männern wie Ita oder Erc. Die meiste Zeit seines Lebens war Brendan in seiner Heimatregion geblieben – in Ardfert gründete er eine Einsiedlergemeinschaft und er lebte am Fuß des Mount Brendon. Doch dann kam dieser Auftrag, sogar ein Engel soll ihm erschienen sein. Für Brendan stand jedenfalls plötzlich fest: er solle seine Heimat verlassen und ins Unbekannte segeln. Das erforderte nicht nur Mut, sondern auch eine gehörige Portion Gottvertrauen. Gemeinsam mit seinen Gefährten hatte er sich auf den Weg gemacht.
Ziel ist die Reise selbst
Es ist eine gefährliche Reise. Einmal, so die Legende, landen sie auf einer kleinen Insel. Als sie darauf Feuer zu machen beginnen, bewegt sich Insel – jetzt bemerken sie, dass sie auf dem Rücken eines riesigen Fisches sind. Die Reise ist lang und zermürbend – Stürme setzen ihnen genauso zu, wie Flauten. Irgendwann, Monate später kommen sie an, sie finden ihre „Insel der Glückseligen“. Heute meinen manche Forscher, Brendan sei in Island oder Neufundland gewesen, andere denken sogar an Amerika. Kaum jedoch haben die Männer ihr Boot an den Strand gezogen, erhalten sie wieder einen Auftrag: Sie sollen umkehren, zurück nach Irland und sollen ihre Geschichte erzählen. Nicht die Insel war das Ziel, es war die Reise selbst. Sie lehrte Brendan alles, was er für die folgenden Jahre brauchte.
Ergraut und weise zurück
Mit ergrauten Haaren kommt er zuhause an. Er gründet die Klöster Annaghdown und später weiter im Inland das Kloster Clonfert – beide sollten zu äußerst bedeutenden Klöstern in Irland werden. Brendan reist sogar nach Wales und Schottland. Was er jetzt tut, scheint nach der Reise viel wirksamer zu sein. Im Jahr 477 stirbt Brendan und wird in Clonfert begraben.
Brendan und unsere Lebensreise
Einige Jahrhunderte später, genauer im 9. Jahrhundert, entsteht der bekannte Text Navigatio Sancti Brendani. Er ist nicht nur ein Reisebericht, sondern auch eine Allegorie – der Schreiber zieht eine Parallele zu unserer Lebensreise. Brendans Geschichte fragt uns so: Schlummert in mir ein Traum oder weiß ich, dass ich einen speziellen Auftrag habe? Was muss ich hinter mir lassen, und bin ich bereit ein risikoreiches Leben zu führen? Lasse ich mich auf das Unbekannte ein, und habe ich das nötige Gottvertrauen?
sgd